Erklärung zum Bericht von Amnesty International
Am 17. April 2024 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht mit dem Titel „Aftermath: Injustice, Torture and Death in Detention in North-East Syria“. In dem Bericht wurden mehrere Themen im Zusammenhang mit der Zeit nach der militärischen Niederlage des IS, der von der internationalen Gemeinschaft als terroristische Organisation eingestuft wird, angesprochen.
Der Bericht befasste sich mit der Frage der von der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien und der internationalen Anti-IS-Koalition inhaftierten IS-Kämpfer sowie mit den Bedingungen für Frauen und Kinder in den Camps und Rehabilitationszentren. Der Bericht wirft der Selbstverwaltung und ihren Justiz-, Sicherheits- und Militärbehörden, Verstöße zu begehen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, und legte eine Reihe von Empfehlungen vor. Der Bericht richtet sich an die Selbstverwaltung, die internationale Anti-IS-Koalition und die Länder, deren Staatsangehörige in Haftanstalten und Camps festgehalten werden, sowie an die zuständigen internationalen Gremien.
Wir schätzen solche Berichte von Menschenrechtsorganisationen, insbesondere von Amnesty International, sehr. Wir haben immer mit Menschenrechtsorganisationen zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun. Dank unserer Kooperation und Transparenz konnte Amnesty International, den Bericht trotz einiger Vorbehalte von unserer Seite gegenüber einigen der Vorwürfe und der verwendeten Terminologie veröffentlichen. Die im Bericht verwendete Terminologie hätte sorgfältig geprüft werden müssen, denn das Problem der IS-Kämpfer in den Haftanstalten und ihrer Familien in den Camps hat eine internationale Dimension. Der IS ist eine transnationale Terrororganisation und die meisten der Inhaftierten sind Staatsbürger*innen von Drittstaaten, die an bewaffneten Konflikten in verschiedenen Gebieten teilgenommen haben. Die Belastungen, die aus diesem komplexen Sachverhalt folgen, trägt allein die Selbstverwaltung.
Was angebliche Folter und systematische Tötung betrifft, so respektiert die Selbstverwaltung ihre Verpflichtungen, jede Art von Verletzung ihrer Gesetze, die solche Handlungen verbieten, zu verhindern, und hält sich an die einschlägigen internationalen Gesetze. Wir hoffen, dass Amnesty International uns dabei helfen wird, indem es uns alle Informationen und Beweise zur Verfügung stellt, die die Beteiligung von Mitgliedern unserer Sicherheitskräfte oder anderer mit der Selbstverwaltung verbundener Institutionen an diesen mutmaßlichen Verstößen belegen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, da wir bisher keine Beschwerden von IS-Mitgliedern, die sich in den Haftanstalten und Camps aufhalten, über diese mutmaßlichen Verstöße erhalten haben. Es ist erwähnenswert, dass das Team von Amnesty International die von den Syrisch-Demokratischen Kräfte betriebenen Gefangenenlager im Lager in Al-Shaddadi und Al-Panorama in Hasaka nicht besucht hat. Es scheint, dass sie sich hauptsächlich auf Interviews und Aussagen von Personen stützten, die möglicherweise zu IS oder dessen Schläferzellen gehören und die das Team von Amnesty International möglicherweise außerhalb der beiden Gefangenenlager getroffen hat.
Was die Trennung der Kinder von ihren Müttern und ihre Überführung in Rehabilitationszentren betrifft, bekräftigen wir, dass der Trennungsprozess dem besten Interesse der Kinder dient und nicht im Widerspruch zu Artikel 9 der UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz der Rechte des Kindes steht und auch nicht im Widerspruch zum Gesetz Nr. 7 aus dem Jahr 2022, das von der Selbstverwaltung zum Schutz der Kinder in den Gebieten der Selbstverwaltung erlassen wurde.
In dem Bericht wurde auf die schwierigen Bedingungen in den Haftanstalten und die überfüllten Zellen hingewiesen. Wir haben die internationale Gemeinschaft wiederholt aufgefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Selbstverwaltung zu unterstützen, damit sie den Bedürfnissen der Menschen in den Camps und Haftanstalten gerecht werden kann. Dies erfordert enorme finanzielle Mittel, über die die Selbstverwaltung nicht verfügt.
Der Norden und Osten Syriens steht vor großen politischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen. Dies betrifft insbesondere für die andauernden türkischen Angriffe, die die Sicherheit und Stabilität untergraben und die Ankunft sicherer humanitärer Hilfe in der Region durch andere Akteure behindern.
Seit ihrer Gründung hat die Selbstverwaltung deutlich gemacht, dass sie die internationalen Gesetze und Standards im Zusammenhang mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht einhält und sich zu ihnen bekennt. Die Selbstverwaltung wurde auf den Grundsätzen des Pluralismus und der Demokratie aufgebaut. Dementsprechend sind wir bereit, mit Amnesty International zusammenzuarbeiten.
In Bezug auf die von Amnesty International vorgeschlagenen Empfehlungen, die konzertierte regionale und internationale Anstrengungen erfordern, müssen die internationale Gemeinschaft und die betroffenen Akteure der Selbstverwaltung die notwendige Unterstützung zukommen lassen, da ihre Ressourcen und Fähigkeiten zur Lösung vieler Probleme in den Camps und Haftanstalten unzureichend sind. Die Selbstverwaltung muss auch in die internationalen Bemühungen und Treffen einbezogen werden, die darauf abzielen, Wege zur Bewältigung der Auswirkungen dieser enormen Belastung zu finden.
Durch unsere Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft und der internationalen Anti-IS-Koalition konnten wir einen militärischen Sieg über den IS erringen. Ebenso wichtig ist, dass wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen, um die Situation in den Camps und haftanstalten zu bewältigen, was gemeinsame lokale, regionale und internationale Anstrengungen erfordert. Wir müssen gemeinsame Mechanismen finden, um sicherzustellen, dass der IS keine regionale und internationale Bedrohung mehr darstellt. Der IS kann nur nachhaltig besiegt werden, wenn es gelingt, juristische Verfahren zu beginnen, um IS-Mitglieder zur Rechenschaft zu ziehen und Gerechtigkeit für die Opfer auf eine Weise zu erreichen, die Sicherheit und politische Stabilität in der Region gewährleistet.
Außenbüro der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien,
25.04.2024